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23. Juli 2013

Die Amerikanische Seele


"Die Amerikanische Seele" gibt es natürlich genauso wenig wie es "Die Schweizer Seele" gibt – oder noch weniger. Und doch sind uns in den vergangenen Monaten ein paar Sachen hier aufgefallen, die mehr sind als pures Klischee.
- Kriegsveteranen werden verehrt wie andernorts Heilige. Paraden, Hilfswerke für Veteranen oder ihre Hinterbliebenen sowie Gedenkstätten werden geachtet, selbst von Menschen, die sich sonst nicht mit dem Militär identifizieren können. Auch Polizisten und Feuerwehrleute erhalten allgemein grosse Wertschätzung.

- JeKaMi – jeder kann mitmachen. Elitäres Getue wird nicht geschätzt, wer erfolgreich sein will muss die Gunst des breiten Volkes suchen. Golfplätze, Boote oder Nascar-Rennen – um ein paar Beispiele zu nennen – sind (theoretisch) für alle offen und erschwinglich. Statussymbole wie Autos oder Kleider sind zwar vorhanden, haben aber nie den gleichen hohen Stellenwert wie bei uns. Es ist auch weit verbreitet, statt eines Iphones eine billigere Kopie zu besitzen.

- Wenn der Amerikaner etwas kaufen will, dann gleich und sofort. Wartezeiten (zum Beispiel in der Automobilindustrie) werden nicht geschätzt. Man geht dahin, wo am meisten Artikel auf Vorrat vorhanden sind – und vergleicht vor allem den Preis. Der Amerikaner ist stets auf der Suche nach dem "Great Deal". Qualität, Folgekosten oder erst ethische Bedenken sind da weniger wichtig…

- Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit. Obwohl Amerika wohl eines der sichersten Ländern dieser Erde ist (schon allein wegen der hohen Präsenz von Sicherheitsleuten), haben die Amerikaner immer noch das Gefühl, die Welt um sie herum sei mörderisch gefährlich.

- Das Piktogramm für Verpflegungsmöglichkeit ist nicht etwa, wie bei uns, Teller, Messer und Gabel, sondern: Hamburger und Cola im Becher! tatsächlich ist es selbst für eine halbgeschäftliche Einladung okay, sich Pizza zu bestellen.

- Übergrosse, sauber getrimmte und mit Pestizid behandelte Rasenflächen um Landhäuser bilden einen starken Kontrast zur ungezähmten Natur darum herum. Der Umgang mit der Natur widerspiegelt sich darin: Der Mensch nutzt sie für sich, wie er will (Fische werden zum Fischen gezüchtet und ausgesetzt, mit Jagdbeute wird unzimperlich umgegangen und Hunde sind entweder auf der Farm sich selber überlassen oder dienen als lebendige Puppen). Platz für unberührte Natur ist dazwischen noch immer reichlich vorhanden.

- Häuser, Boote und Freizeitgeräte sind durch und durch normiert. Passende Bau- und Zubehörteile können für wenig Geld in jedem Baumarkt gekauft werden.

- Im Zweifel wird schon mal ein neues Gesetz entworfen. Gut möglich, dass es gar nie durchgesetzt werden muss. Sollte es aber jemand übertreiben, so hätte man doch eine Grundlage, auf die man sich stützen könnte. Gesetze sind hier das, was bei uns die Volksmoral ist – oder einst gewesen wäre…

- Anwälte warten nicht, bis sie über eine Unstimmigkeit gefragt werden, sondern suchen aktiv Gesetzeslücken und Unklarheiten auf («Injured? Call…» «Accident? Call…» «Got arrested? Call…»). Sie helfen also mit – wenn auch auf sonderbare Art –, das Gesetz durchzusetzen.

- Religion mag für viele Amerikaner wichtig sein – aber sie gehört in die Kirche. Im öffentlichen Raum ist sie nahezu inexistent. Vor allem an Weihnachten ist es uns aufgefallen: Biblische Bilder (Krippen, Engel, drei Könige, Sterne und alles, was damit verbunden ist) fanden wir kaum, dafür Kommerz bis zum Umfallen.

- Von den jungen Familien, die wir auf unserer Reise getroffen haben, waren in weniger als der Hälfte der Fälle sowohl die leibliche Mutter als auch der leibliche Vater mit den Kindern mit dabei. Patchworkfamilien werden als Normalität behandelt.

- Obwohl ein freundlicher Gruss zur Camper-Etiquette gehört, sehen die Amerikaner die Sache mit der Knigge sehr locker. Umso gerührter sind vor allem ältere, ländliche Amerikaner, wenn wir unsere "altmodischen, gut europäischen Manieren" zeigen. Mit einem höflichen "thank you, Sir/Mam", einem Gastgeschenk zur Einladung, Tischsitten bzw. einem geordneten Esstisch und einem Händedruck zum Abschied haben besonders unsere Kinder schon manches Herz im Sturm erobert – und gelegentlich auch eine leise, enttäuschte Bemerkung über die Sitten der eigenen Enkel provoziert.

- Jedem Amerikaner steht die Freiheit zu, sich unvernünftig selber zu gefährden. So sind die Gesetze für Heimtragen oder Fahrzeugsicherheit vergleichsweise lasch. Kein Pardon kennt der Amerikaner aber, wenn andere Menschen gefährdet werden. Rasen und Fahren unter Drogen oder Alkohol sind unverzeihliche Sünden.

- Leider müssen wir in Europa die Menschen ab und zu dazu aufrufen, sich im öffentlichen Raum so zu benehmen wie zu Hause (So käme es wohl niemandem in den Sinn, zu Hause vor lauter Trunkenheit in die Ecken zu erbrechen – aber an jedem öffentlichen Fest ist das leider schon nahezu akzeptabel. Kinder werden im Haus zum Stillsein aufgerufen, dürfen sich aber auf öffentlichen Plätzen bis zur allgemeinen Zumutung austoben). In Amerika ist es umgekehrt: Was zu Hause passiert ist Privatsache, aber im öffentlichen Raum benimmt man sich tadellos. So legen die Amerikaner Wert darauf, dass die Kinder auf dem Spielplatz nicht herumschreien und man Erwachsenen den Alkoholkonsum keinesfalls anmerkt.

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