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23. Mai 2012

Begegnungen und Freundschaften

Die Begegnung mit Amischen in Lancaster county hat uns gezwungen, über fairen Tourismus nachzudenken. Die Amischen sind eine religiöse Gruppe, herausgegangen aus den Täufern, die in der Schweiz und anderen europäischen Ländern einst aufs Blut verfolgt wurden (siehe auch vorhergehende Einträge). Sie versuchen, ihre traditionelle und sehr von der Bibel geprägten Lebensweise  auch in der heutigen Zeit beizubehalten. Dazu gehört, nebst der offensichtlichen Kleidung und der Fortbewegung mit Pferd und Kutsche, dass sie sich nicht fotografieren lassen wollen. Ihre Zurückgezogenheit und Abkehr von der modernen Gesellschaft mag massgeblich dazu beitragen, dass sie ihre eigene Gesellschaftsordnung überhaupt noch beibehalten können. Dass Sensationstouristen mit grossen Kameras hier absolut fehl am Platz sind, ist daher bestimmt verständlich. Aber letztlich hat auch uns die Neugier über die Lebensweise der Maischen nach Lancaster gebracht.

Wir versuchten, uns so zurückhaltend und anständig wie nur möglich zu verhalten – und dennoch hatten auch wir uns immer wieder dem Dilemma zu stellen: Sollen wir so wenig wie möglich stören oder sollen wir einen gegenseitigen ehrlichen Dialog aufzubauen versuchen? Wird das vom Gegenüber überhaupt gewünscht oder wird unsere Anwesenheit eben doch nur aus Freundlichkeit und Anstand (oder aufgrund der Hoffnung auf einen guten Handel) toleriert? Eine persönliche Bekanntschaft ermöglichte uns persönliche Einblicke, aber auch da mussten wir uns ab und zu fragen: Was ist okay und ab wann nutzen wir unsere Beziehungen aus…?

Sich die Zeit nehmen, eine Beziehung reifen zu lassen, hat sich gelohnt. Ehrliches Interesse und die Bereitschaft zum gleichberechtigten Austausch trugen dazu bei. Wir wollten nicht nur Zuschauer sein, sondern unserem Gegenüber auch etwas von uns geben. Damit sind zwar auch, aber nicht nur materielle Gastgeschenke gemeint. Mindestens so wichtig ist gegenseitige Anteilnahme am Leben, an den eigenen Freuden und Sorgen, der Geschichte und der Kultur. Zum Abschluss von einer Amischen Familie zu einem Sonntagabendgebet in ihrer Stube eingeladen zu werden ist eine tiefe Ehre, die unvergesslich bleibt.

Rund um Lancaster findet man viele überdachte Brücken – Symbol auch für den Brückenbau zwischen den Menschen.

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