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10. August 2013

Unser Freund Walmart

Sam Walton, Gründer von Walmart
Walmart ist schon fast ein stehender Begriff für RV-Reisende. Nicht, weil der Marktgigant so gute Artikel oder Lebensmittel hätte (im Gegenteil, letztere muss man schon gut anschauen…). Walmart steht bei Reisenden für eine gratis Übernachtung mit sauberer Toilette und meist einem Nachtwächter. Dass viele Walmarts Wohnmobilreisende über Nacht auf ihren grossen Parkplätzen stehen lassen, ist längst kein Geheimnis mehr. Auch wir haben zahlreiche Nächte – manche ruhiger als andere – dort verbracht. Ja, man könnte fast sagen, Walmart und wir sind Freunde geworden… oder nicht?


Um eines vorneweg zu nehmen: Die Strategie von Walmart geht auf. Wir haben dem Geschäft viel Geld eingebracht, und nicht nur für Nötiges. Das Angebot ist so unglaublich gross und die Preise so niedrig, dass man manchmal einfach zugreifen "muss". Und es ist durchaus praktisch, den Wocheneinkauf in aller Ruhe erledigen zu können, während die Kinder im Wohnmobil schlafen. Wozu hat das Geschäft denn 24 Stunden geöffnet? Besonders zwischen 22 und 24 Uhr gibt es ausserdem immer etwas Heiteres zu beobachten. Auf Youtube findet man unter "Walmartians" manch erheiterndes Video über die schräge Walmart-Kundschaft.

Walton's erster 5-10, der "Ur-Walmart"
Als Beispiel der Kundenkulanz wird u.a. dieses Thermometer
aufgeführt: Es wurde zurück gegeben mit der Begründung,
es zeige nie die richtige Uhrzeit an.

Die Geschichte des weltweit grössten privaten Arbeitgebers ist eine Geschichte von Fleiss, Ausdauer und Geschäftssinn. Die Geschichte des amerikanischen Traums – wie es im Besucherzentrum von Bentonville AR dargestellt wird. Und eine Geschichte über den Gründer Sam Walton. Walton kam aus einer kleinbürgerlichen Familie, wuchs während der Grossen Depression der 1930-er Jahre auf und führte bereits als junger Mann einen Dorfladen, damals als Pächter. 1950 kam er mit seiner Familie nach Bentonville, wo er ein kleines Geschäft im Stadtzentrum übernahm und als Walton's 5-10 aufmöbelte. Walton glaubte an den Fortschritt und war einer der ersten, der in seinem Geschäft Selbstbedienung und später EDV-Systeme einführte. 1962 eröffnete er in Rogers den ersten Walmart, bereits 1972 ging er an die Börse. Von da an breitete er sich kontinuierlich über die Vereinigten Staaten und in die ganze Welt aus. Tief verankert war der Grundsatz des tiefsten Preises, immer und überall. "Wir helfen Leuten sparen und ein besseres Leben zu führen", pflegte er zu sagen. Walton war offenbar aber auch ein Patron der alten Garde. Einer, der von seinen Mitarbeitern Leistung und Werte verlangt, sich aber auch um sie kümmert. Er wird gerühmt, stets ein offenes Ohr für seine Mitarbeiter – und ihre Ideen – gehabt zu haben. Er wollte sie für seine Sache begeistern und schuf dazu unter anderem Profitbeteiligung. Bekannt (und heute verpönt) ist der Walmart-Cheer, ein Motivationsgesang auf Walmart. Die Idee dazu kam Walton während einer Korea-Reise in den 1970er Jahren. Viele seiner Prinzipien (oder so werden sie heute jedenfalls dargestellt) entsprechen modernen Geschäftsidealen. Präsident George Bush Sr. verlieh Walton kurz vor dessen Tod 1992 die Medal of Freedom, die höchste zivile Auszeichnung der USA.

Flaggen aller Länder, in denen Walmart präsent ist.


Heute ist der Walmart-Konzern in gegen 30 Ländern auf allen Kontinenten präsent. Er beschäftigt 2,1 Mio. Angestellte in 8750 Filialen, erreichte 2011 einen Umsatz von knapp 450 Mrd. US-Dollar und erwirtschaftete einen Gewinn von 15,6 Mrd. Dollar. Die Walmart-Erben (Wittwe und die vier Kinder) erscheinen freilich auf der Liste der reichsten Amerikaner.

Wo Erfolg, sind die Neider nicht weit. Walmart sieht sich immer wieder mit heftiger Kritik konfrontiert – wohl nicht alle zu Unrecht. Der grösste Walmart-Konkurrent, die französische Carrefour-Gruppe, ist nicht halb so gross wie Walmart. Natürlich stellt sich da bald die Frage nach der Monopol-Stellung. Im Film "Walmart – the high price of low cost" (USA 2005) wird dem Konzern unter anderem vorgeworfen, bei der Standortwahl hohe Subventionen der Gemeinden zu erhalten – oder erpressen. Walmart ist bekannt dafür, jegliche gewerkschaftliche Aktivität mit drastischen Massnahmen zu unterdrücken. Auch die (Vorbild)-Rolle von Marktgiganten in den Produktionsländern ist eine ewige Diskussion (übrigens stammt inzwischen fast alle Ware von Walmart aus China und Kleider dorther, wo gerade am günsigsten produziert wird). Besonders störend allerdings ist, dass Walmart seinen US-Mitarbeitern Löhne bezahlt, mit denen sie nicht einmal die von Walmart selber angebotene Krankenversicherung finanzieren können. Im Wissen darum soll der Konzern seine eigenen Mitarbeiter an die staatlichen Armutsprogramme verwiesen haben – und das in den USA, die bekanntlich nicht besonders freizügig ist mit ihren Sozialversicherungen!

Aus Deutschland zog sich Walmart übrigens 2006, nach rund zehn Jahren, mit grossem Verlust zurück. Dazu geführt hatte die starke Discounter-Konkurrenz, aber auch die Tatsache, dass sich die Bevölkerung nie wirklich mit der Geschäftsphilosophie von Walmart hatte anfreunden können.

Nostalgie in Walton's 5-10 in Bentonville, AR
Und wir?
Wir wissen es nicht. Walmart ist eine Tatsache. Jeder Amerikaner, der behauptet, noch nie in einem Walmart gewesen zu sein, lügt wahrscheinlich. Walmart und seine Geschichte sind faszinierend. Doch mit grosser Macht kommt auch grosse Verantwortung. Vielleicht ist der Laden inzwischen schlicht zu gross, um verantwortlich geführt zu werden? Irgendwie haben wir das Gefühl, Sam Walton muss sich ob der einen oder anderen heutigen Geschäftspraxis im Grab umdrehen – als Patriot und Menschenfreund die er gewesen sein soll.

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