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21. Oktober 2013

Die Frauen von Juchitan

Juchitan de Zaragoza ist keine besonders oft besuchte Touristenstadt. Die Menschen dort, am Golf von Tehuantepec, leben vor allem unter sich. Doch irgendwann hat sich doch eine Gringa, erst noch eine Soziologin, dorthin verirrt und tatsächlich die These aufgestellt, dort handle es sich um ein Matriarchat…

Das hat dann auch tatsächlich ein bisschen für Wirbel gesorgt. Die einheimischen Frauen selber bezeichnen sich nämlich nicht gerne als Matriarchen. Ja, sie kümmern sich vor allem um die wirtschaftlichen Dinge und ja, sie geniessen mehr Freiheiten als andere Frauen in der traditionell machoistischen Gesellschaft des übrigen Mexikos. Aber von den moralischen Ausschweifungen, die ihnen von europäischen Journalistinnen angedichtet werden, wollen sie nichts wissen.

In unserem Reiseführer ist von einem Geist der Unabhängigkeit, von einer besser gestellten, sozialeren und reicheren Gesellschaft die Rede, von besonderer Freundlichkeit gegenüber Touristen und unzähligen bunten Trachten. Natürlich wollen wir uns das nicht entgehen lassen und schauen in Juchitan vorbei. Es ist nicht ganz einfach, in dieser Stadt (eigentlich hatten wir uns ein kleines Dorf vorgestellt) den Markt am Hauptplatz zu finden. Nachdem wir ein paar Blöcke blind umher geirrt sind, halten wir an um ein junges, turtelndes Pärchen um Rat zu fragen. Als ich die lackierten Fingernägel des jungen Mannes sehe, weiss ich bereits Bescheid: Es muss sich um eine Muxe handeln. Dies ist tatsächlich eine Spezialität des Ortes: Muxen sind Männer, die offen als Frauen herumlaufen – aber offensichtlich nicht immer. Muxen sind nicht nur akzeptiert, sondern, wie ich von einer aus der Region stammenden Textilhändlerin in Puerto Escondido erfahren hatte, hoch geachtet. Alle seien Stolz, wenn sie eine Muxe in der Familie hätten, sagte sie. Muxen kümmerten sich ausserordentlich gut um die alternden Eltern und seien dazu begnadete Weber- und Sticker(innen).
Der junge Mann, der abgesehen von den Fingernägeln durchaus männlich – und attraktiv – aussah, erklärte uns freundlich den Weg und hiess uns anschliessend herzlich in der Stadt willkommen! Also doch eine besonders freundliche Gegend?

Nun, mit dieser Begegnung waren die Spezialitäten von Juchitan für uns denn auch schon abgeschlossen. Auf dem Markt gab es schöne Textilien zu kaufen, wie überall in der Gegend. Es gab Frauen in Trachten, aber die Mehrheit der Menschen trug Jeans und Shirts. Der herzlichen Begrüssung des Muxe standen die offenen Beschimpfungen einer alten Marktfrau entegegen (was sie so entzürnt hatte, weiss ich immer noch nicht, ausser unserer Hautfarbe gab es keinen Grund). Die Stadt erschien uns nicht sauberer noch reicher als andere. Hätten wir nicht vorgängig schlaue Texte gelesen, es wäre für uns einfach eine ganz normale südmexikanische Stadt gewesen…

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