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10. Oktober 2012

Mary Schäffer

© M. Lang/K.McLeod, Summerthought Publishing 2012

Zu einer Zeit, als die meisten Entdecker Männer waren, wagte sich eine zarte Frau aus Pennsylvania in die unbekannte Wildnis. Ausgerüstet mit nur einer handgezeichneten Karte ritt sie in Kanadas Rocky Mountains und entdeckte den Maligne Lake, einen der bekanntesten Orte im Jasper Nationalpark. 

(English summary in article)

Mary liebte es, ihre Umgebung zu erkunden. Ihr Vater nahm sie oft mit in die Natur, als sie ein kleines Mädchen war. Mary lernte viel mehr über Naturwissenschaften dort draussen als in der Schule. Und nach dem Unterricht besuchte sie Zeichenstunden beim bekannten Blumenmaler George Lambden. Damals, in den 1860er Jahren, lebte sie in Chester, Pennsylvania. Ihre Familie gehörte zu der religiösen Gruppe der Quäker.

Als junge Frau heiratete Mary Dr. Charles Schäffer. Beide liebten die Blumen und die Natur. Auf ihrer Hochzeitsreise sahen sie Bilder von Lake Louise und entschieden, in Kanadas Rocky Mountains zu fahren. Es dauerte vier Tage, bis sie mit dem Zug ankamen. Aber die beiden verliebten sich sofort in die Landschaft. Charles entschied sich, ein Buch über die Pflanzen der Rocky Mountains zu schreiben. So kamen die beiden Sommer für Sommer zurück und Mary half ihrem Ehemann, die Blumen für das Buch zu malen.

Aber Charles konnte das Buch nie zu Ende schreiben. Er starb 1903. Auch Marys Eltern starben in diesem Jahr. In ihrer Trauer entschied Mary, das Buch in den Bergen fertig zu schreiben.
Doch Mary hatte nicht genug Geld, um in den schönen Hotels zu bleiben, wie sie es sich gewöhnt war. Deshalb entschied sie sich mit Pferd und Zelt in die Wildnis zu ziehen. Man stelle sich das vor! Zu jener Zeit wurde von Frauen erwartet, dass sie Röcke tragen, zu Hause bleiben und brav sind. Für Monate in die Wildnis zu ziehen war undenkbar.

© M. Lang/K.McLeod, Summerthought Publishing 2012
Mary fragte ihren Freund Tom Wilson, ob er sie begleiten könnte. Aber er hatte keine Zeit. Und Tom wusste auch, dass Mary eigentlich reiten und campieren hasste. Deshalb empfahl er Mary einen sehr geduldigen, aber auch anständigen und belesenen Führer namens Billy Warren. Mary musste viel lernen, bevor sie in die Wildnis ziehen konnte um noch mehr Wildblumen für ihr Buch zu finden.
Bald begann Mary, das Reiten und Campern zu mögen. Sobald sie von der Zivilisation entfernt waren, zog sie jeweils ihren Rock aus und stattdessen bequeme Männerhosen an. Auf ihren Reisen hatten Mary und ihre Begleiter jeweils auch viele Packpferde mit dabei, um die Ausrüstung zu tragen. Einmal stolperte eines davon.  Während die Menschen das Pferd retteten, rannten die anderen Pferde zurück zum letzten Lagerplatz. Mary musste fünf Kilometer wandern und sie holen.

Die schönsten Momente unterwegs waren jeweils die Abende am Lagerfeuer. Nach dem Essen und Aufräumen erzählten die Menschen sich Geschichten und planten den nächsten Tag. Manchmal waren die Mücken aber auch so zahlreich, dass sie Netze tragen oder ein grosses, rauchiges Feuer machen mussten. Immer wieder sahen sie Tiere: Dickhornschafe, Bergziegen, Bären, Wapiti, Hirsche und Elche. Manchmal sahen sie sogar Stachelschweine, die nachts die Zeltstangen und Pferdesättel anknabbern wollten. Auf ihren Erkundungsreisen trafen Mary, Billy und Sid kaum Menschen an. Nur ab und zu begegneten sie Stoney Nakoda Indianern. Darunter auch Sampson Beaver, seine Frau Leah und ihre Tochter Frances Louise. In einem Sommer brachte Mary dem Mädchen eine Puppe mit und fotografierte die Familie. Die Nakoda erkannten, wie sehr Mary die Berge liebte und nannten sie deshalb Yahe-weha, "Bergfrau".

Im Sommer 1907 suchten Mary und ihre Begleiter einen See, den die Nakoda Chaba Imne, "Bibersee" nannten. Schliesslich mussten sie aber wegen dem Wetter aufgeben. Während sie zurück ritten, trafen sie wieder Sampson Beaver. Er zeichnete Mary eine Karte, mit Hilfe derer sie im folgenden Sommer den See fanden. Der Maligne Lake, wie er heute heisst, ist ein bekannter Ort im Jasper Nationalpark.

1911 passierte etwas Unglaubliches: Obwohl Mary kein Mann war und die Regierung bisher nur Männer mit so etwas beauftragte, sollte Mary Chaba Imne kartieren! Sie sagte zu und mass den See nach Länge, Breite und Tiefe genau aus, damit sie eine Landkarte zeichnen konnte.
Sie brachte auch ihren elfjährigen Neffen Paul mit. Paul litt an Keuchhusten und Mary dachte, frische Bergluft würde ihm helfen. Damit Mary den See ausmessen konnte, brauchten sie auch ein Boot. Das geduldige Pferd Jonas sollte dieses während der ganzen Reise über Pässe und durch Täler tragen. Einer der Pässe wurde später Shovel Pass, Schaufelpass, genannt, weil zwei von Marys Begleitern ihre Schaufeln auf dem Pass liessen, um den Weg zu markieren.
Sobald die Gruppe beim Lake Maligne (oder eben Chaba Imne) angekommen war, begann Mary ihre Vermessungen. Nach einem holprigen Start und einigen im See versunkenen Instrumenten konnte Mary ihre Karte vervollständigen. Dank Marys Hilfe wurde Maligne Lake Teil des Jasper Nationalparks und ist nun geschützt und zugänglich für alle Menschen in Kanada.

Mary Schäffer sah sich selber stets als zartes Pflänzchen. Doch ihre Reise in die Berge bewies, dass sie so stark und zäh war wie eine Alpenblume. Als die Karte vom Maligne Lake fertig war, zog Mary Schäffer definitiv nach Banff, weil sie die Berge so sehr liebte. Sie liess sich ein hübsches Haus bauen und nannte es "Bleib eine Weile". In der Tat blieb sie bis an ihr Lebensende in Banff und genoss es zu reiten, malen, fotografieren oder über ihre Entdeckungsreisen zu schreiben. Ihre Abenteuerlust ist in den Rocky Mountains bis heute spürbar. 

Übersetzung aus dem Bilderbuch "Mary Schäfer, Adventures in the Canadian Rockies" von M. Lang and K. McLeod. Erschienen bei Summerthought Publishing, 2012.


English summary

Over a century ago, in an era when most of the best-known explorers were men, Mary Schäffer headed into an unknown wilderness. With only a hand-drawn map to guide her, she forded raging rivers, crossed snow-covered passes, and rode through endless forests before eventually reaching Maligne Lake, one of the most beautiful places in all of Canada.
(from M. Lang/K. McLeod: Mary Schäffer, Adventures in the Canadian Rockies, Summerthought Publishing 2012)

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